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http://www.mixcloud.com/multicultfm/rubrik-martjes-kritiritik-alkohol/
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Nachdem ich das
letzte mal über die Langeweile sprach,
möchte ich heute
über den Rausch sprechen und zwar über den alltäglichsten
Rauschzustand in unserer Gesellschaft: der Betrunkenheit.
Tja, Teufel Alkohol:
Verführer, Zerstörer und Retter in der Not.
Also irgendwie kennt
das doch jeder, man trifft sich mit Leuten abends zu einer illustren
Runde in einer Bar und plötzlich bestellt da einer was
Alkoholfreies, besorgte Blicke, die Frage ob alles OK sei, ob man
krank sei... usw. usw. Ist es schon so normal zu trinken, dass es
besorgniserregend ist, wenn einer nicht trinkt? Und wenn ja, wie
sind wir nur dahin gekommen?
Wir alle wollen
jemand ganz Besonderes sein, besondere Dinge tun, besonders gut
aussehen, besonders kreativ sein, irgendwie aus der Masse
rausstechen, erkannt werden. Doch genauso, wie wir das Bedürfnis
haben ein Einzelner zu sein, uns von der Masse abzugrenzen, genauso
leiden wir auch daran, an diesem Getrenntsein, getrenntvon den
anderen und der Welt und irgendwie am Ende ist man ja doch immer
allein. Und da kommt uns doch Dionysos, der griechische Weingott, als
Sorgenbrecher ganz gelegen. Nach ein paar Bierchen/Weinchen,
Schnäpschen sieht die Welt doch schon ganz anders aus. Denn im
Rausch überwinden wir diese Trennung – im Rausch löst sich das
Individuum auf, man gerät ganz Außer-sich und taucht ein in ein
warmes Wir-Gefühl. Angst und Rausch sind meistens entgegengesetzte
Pole, in der Angst ziehen wir uns in uns selbst zurück, deshalb
spricht der Existenzialismus so gerne von der Angst und im Rausch
öffnen wir uns der Welt und den Anderen. Im Rausch ist der Mensch in
der Lage leichter Kontakt und Freundschaften zu schließen. Nietzsche
spricht vom dionysischen Rausch, der die Grenzen der Individualität
sprengt zu einem erhöhten Kraftbewußtsein und zu einer Erweiterung
des Raum-Zeitgefühls führt, das Verhältnis zur Realität
verändert und die oft ersehnte Selbstvergessenheit bringt.
Für Nietzsche
äußert sich der Mensch im Rausch, singend und tanzend, als Mitglied
einer höheren idealen Gemeinschaft: er hat das Gehen und Sprechen
verlernt und noch mehr: er fühlt sich verzaubert und er ist wirklich
etwas Anderes geworden.
Und Berlin ist die
Stadt, die Alkoholiker gebiert. So stark hier der Druck der
Individualität ist, so immense ist auch das Angebot sich
Selbstvergessen zu dürfen. Doch das Angebot ist schon längst zu
einem Gebot geworden. Willst Du ein Mitglied unserer lustigen Runde
sein, dann trink! Aus dem abendlichen Vergnügen, wird schon bald
Gewohnheit und aus der Gewohnheit eine Abhängigkeit.
Sucht lässt sich
ganz allgemein definieren als die körperliche oder seelische
Abhängigkeit von einem bestimmten Reizauslöser, dessen Wirkung eine
so wohltuende Befriedigung verschafft, dass die Person nur noch an
der kontinuierlichen Wiederholung dieser Stimulation trachtet, deren
Aussetzen aber als unangenehm empfunden wird und zu Entzugssyndrom
führt. Die Regelmäßigkeit ist also die Voraussetzung zur
Entstehung einer Sucht. Die Sucht besteht, wenn eine Unterbrechung
oder Beendigung der Gewohnheit zu einer spürbaren Beeinträchtigung
körperlicher und geistiger Vermögen führt. Und ein
fortgeschrittenes Stadium der Sucht ist erreicht, wenn das
Rauschmittel gar keine Euphorie mehr freisetzt, sondern lediglich die
Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des ursprünglichen
Normalbefindens ist.
Man kann wenigstens
drei Gruppen von Süchtigen unterscheiden: Exzentriker, Melancholiker
und Deserteure. Die Exzentriker sind Menschen, die nach dem höchsten
Genuß oder nach Erkenntnissen streben, die über das normale Maß
hinausgehen. Die Melancholiker leiden oft an Depressionen und
verwenden Drogen als Medizin. Und die Deserteure sind die Menschen
unter uns, die sich den Anforderungen der Umwelt nicht gewachsen
fühlen und im Drogenrausch ihren Problemen entfliehen wollen.
Während die Melancholiker und Deserteure vor den deprimierenden
Inhalten ihres Bewußtseins flüchten und nach Ausschaltung suchen,
sucht der Exzentriker eine Erweiterung des Bewußtseins, wobei in
unserem Fall die Selbsterkenntnis nicht wirklich durch den
Alkoholrausch zu erlangen ist.
Also an alle
Deserteure des Alltags, an die Umnebelten der Nacht, wir können uns
auch ohne Alkohol lieben! Und wenn nicht dann fällt mir nur einer
dummer Spruch ein:
Wo früher unsere
Leber war, ist heute eine Minibar. Prost!
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