Als ich gefragt
wurde, ob ich was zum Thema Mauerfall und Wende machen könnte,
dachte ich, die ganzen hard facts sind ja eh gerade in aller Munde,
also gibt’s heute einfach mal eine etwas persönlichere Sicht auf
dieses historische Datum.
Am 9. November 1989
habe ich meinen neunten Geburtstag gefeiert. Ich erinnere mich noch
genau, wie ich mit meinen Eltern abends vor dem Fernseher saß und
ganz gebannt die Bilder von der Grenzöffnung gesehen habe und ich
dachte wirklich, dass alle meinen Geburtstag feiern.
Damals war ich
natürlich noch viel zu klein und konnte das alles gar nicht richtig
verstehen.
Ich bin direkt an
der Mauer in Berlin Mitte in der Ackerstraße großgeworden. Für
mich war das ganz normal, dass unsere Straße an einer Mauer endete
und da Soldaten mit ihren Gewehren patrouillierten. Ich fand es nur
doof, dass man uns nicht einfach besuchen konnte, weil man ohne
Passierschein nicht so nah an die Mauer durfte. Wir haben ganz oben
gewohnt und von meinem Fenster aus, konnte ich in den Westen schauen.
Meine Eltern haben mal ärger bekommen, weil ich im Kindergarten
irgendwas gemalt habe, was wie ein CocaCola Logo aussah, als dann
herauskam, dass ich das von einer Werbetafel auf der anderen Seite
der Mauer gesehen habe, war das damit wohl geklärt. Ich dachte auch
immer Erich Honecker sei unser Hausmeister. Damals sahen irgendwie
alle alten Männer für mich aus wie Erich Honecker, so auch unser
Hausmeister aus dem Kindergarten. Überall, in allen öffentlichen
Gebäuden, hingen diese Bilder von Erich Honecker und meine Mutter
erzählte mir mal die Anekdote, wie wir in die Post kamen und ich zu
so einem Bild gesagt hätte: schau mal unser Hausmeister hängt hier
auch. Ich glaube ich habe erst an dem Abend der Wende mitbekommen das
Erich Honecker eigentlich ein wichtiger Politiker war.
Das traumatischste
für mich im Zusammenhang mit der Wende, war die bittere Erkenntnis,
dass ich für immer Jungpionier bleiben sollte, also das heißt, dass
ich niemals das rote Halstuch bekomme und damit zu den Großen, zu
den Ernst-Thälmann Pionieren, gehören durfte. Das verfolgt mich
unbewusst immer noch, nicht zu den Großen dazu zugehören.
Mit der Wende begann
eine Zeit des Schämens, ich weiß nicht ob es eher etwas mit dem
aufkommen meiner Pubertät zu tun hatte, aber ich weiß noch, im
Westen war alles schöner, schicker, leuchtender und toller und ich
wollte auf gar keinen Fall als Ossi entlarvt werden. Meine Sachen
waren hässlich und im Osten war alles grau und dunkel. Heute ist es
andersrum, ich vermisse richtig das Berlin der 90er – mein
dreckiges graues zerfallenes Berlin-Mitte mit den
Hinterhof-Keller-Künstlerpartys und den leeren Straßen mit den
orangefarbenen Laternenlicht und den riesigen Altbau Wohnungen, wo
Leninbüsten als Kerzenständer standen.
Vielleicht hatte das
auch was mit dem Aufkommen meiner Jugendzeit zu tun – aber die
Straßen Berlins rochen nach Freiheit und unendlichen Möglichkeiten,
nach Punk und Kunst, Philosophie und Poesie.
Das verrückteste
für mich an der Wende war die radikale Vernichtung mit allem was
auch nur annähernd irgendwas mit der DDR zu tun hatte – somit
wurde nach und nach nicht nur der Ort meiner Kindheit ausradiert,
sondern auch die Dinge und Produkte aus meiner Kindheit. Und so geht
es ja nicht nur meiner Genration, sondern auch der meiner Eltern und
meiner Großeltern.
Nun möchte ich
gerne mal die Frage in den Raum werfen:
Wie kann man auf den
Spuren seiner Vergangenheit wandeln, wenn all die Dinge, die
Erinnerungen auslösen können, verschwunden sind? Also jetzt mal in
Anlehnung an Marcel Prousts „ Auf der Suche nach der verlorenen
Zeit“, was bedeutet das für ein Leben, wenn die Auslöser fehlen,
die bestimmte Erinnerungen wecken können???
Diese Frage kann ich
nicht beantworten, aber vielleicht kann man ja mal darüber
nachdenken...
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