Montag, 1. September 2014

Der Unsichtbare Apfel

hier zum reinhören:

http://www.mixcloud.com/multicultfm/rubrik-martjes-kritiritik-%C3%A4pfel-und-sterne-robert-gwisdek/




Der Herbst kommt und zur Einstimmung gibt's heute ein Buchtip für einen herbstlichen Schmöker mit dem man sich hinter den Ofen verkriechen kann. Er heißt der „Der Unsichtbare Apfel“ und ist der Debütroman von Robert Gwisdek alias auch bekannt als Käptn Peng. Der Berliner HipHopper ist ja bekannt für seine intelligente Wortakrobatik, und jetzt gibt es ein ganzes Buch von ihm. Man könnte sagen es ist eine Art Entwicklungsroman, aber eher im metaphysischen Sinne. Er beschreibt einen radikalen Selbstfindungsprozeß. Der Junge Igor wird zum jungen Mann, der auf der Suche nach dem Frieden mit sich Selbst und der Welt ist und sich dabei einem verrückten Experiment aussetzt. Für 100 Tage schließt er sich in einen dunklen und geräuschlosen Raum ein, um seinen Geist an der Nicht-Information zerschellen zu lassen. Gwisdek beschreibt auf eine sehr metaphorische und wortspielerische Art diese quälende Unruhe eines Menschen, der versucht sich selbst los zu werden, um sich selbst zu finden. Durch Formen geistiger Anstrengung durchläuft er eine Reihe schon an Wahnsinn grenzender Prozesse. Er beschreibt fast Gleichnishaft diese Zustände, die wie Traumbilder oder Rätsel klingen. Und es erinnert beim lesen an eine bestimmte Form von Meditation in die er sich begibt.
Beim lesen fühlte ich mich auch oft an Gedanken von Nietzsche oder Kierkegard erinnert, wenn zum Beispiel Gwisdek schreibt: „In meinem Bauch trage ich einen tanzende Apfel, der zu groß geworden ist, um ihn zu gebären.“ In Nietzsches Zarathustra heißt es: „Man muss noch Chaos in sich tragen um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ Der Apfel, der gerne als Symbol für Erkenntnis steht, ist hier die Sehnsucht nach Selbsterkenntnis. Der Apfel ist das Chaos und ein Stern ist noch nicht am Himmel, denn der Weg dahin ist hart und anstrengend.
Und genau aus diesem Grund stehe ich diesem Roman etwas zwiespältig gegenüber. Es ging sich sehr gut an, doch in der Mitte des Romans wurde es immer schwieriger für mich dranzubleiben und es erscheint mir, als wären es zwei Unterschiedliche Teile, der Anfang und die Mitte des Romans von verschiedener Art. Die Geschichte wird plötzlich immer absurder und es ist klar, dass es hier nicht um eine Geschichte im herkömmlichen Sinne geht, sondern um die Beschreibung von Zuständlichkeiten, die dieses innere Chaos eines Menschen beschreiben. Die Gleichnisse, die an Traum- oder Alptraumbilder erinnern, sind nicht mehr logisch, sondern rein emotional nur noch zu verstehen. Und da beginnt der Roman, also zumindest für mich, tatsächlich tricky zu werden, denn es strengt ungemein an. Die Szenen im Buch werden immer lauter, rasanter und verstörender. Sie dringen psychologisch in den Leser ein und reißen ihm regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Gemeinsam mit dem Protagonisten stürzt man in eine Schwindelerregende Bodenlosigkeit mit dem Spiel mit der Wahrnehmung. Und genau dieses laute, tosende, ungerichtete Chaos halte ich nicht aus, nach der Hälfte musste ich das Buch erstmal weglegen.
Gwisdek geht mit seinem Roman durch eine Sache durch, durch die ich scheinbar noch nicht bereit bin zu gehen, aber ich wünschte ich wäre es.
Durch die Kunst der Meditation oder der Aufmerksamkeit versucht Gwisdek das Rätsel der Selbsterkenntnis zu lösen. Tja und ich kann Euch nicht sagen, ob er es schafft, denn ich habe das Buch ja immer noch nicht zu Ende gelesen.
Irgendwie ist das wie im Leben – sich der Welt einfach hingeben, loslassen, Widersprüche akzeptieren und immer schön entspannt bleiben – aber wenn das nur so einfach wäre...
Trotzdem, und vielleicht genau aus diesem Grund, ist das ja genau der richtige Roman für den Herbst:)